Wenn wir eine seelenvolle Beziehung zum Leben pflegen wollen, helfen uns die Archetypen der Vorbereitung, die unsere Ich-Kräfte nähren, und die Archetypen der Reise, die uns für die Begegnung mit unseren Seelenkräfte öffnen.

Um die Lebensmitte herum vollziehen sich Prozesse des Suchens und Erneuerns. Wir alle kennen dafür das geflügelte Wort der midlife crises. Wenn wir diesen Lebensübergang nutzen und uns den Themen und Aufgaben zuwenden, erhalten wir die Chance uns selbst zu erkunden und unseren ureigenen Platz im Netz des Lebens einzunehmen.

Hierbei begleiten uns die Archetypen der Rückkehr: der Herrscher, die Magierin, die Weise, der Narr*.

Die Archetypen der Rückkehr

Der Herrscher

Der Archetyp des Herrschers/der Herrscherin hilft uns zu sehen, dass wir uns selbst unsere Würde nehmen, wenn wir andere für unsere Probleme verantwortlich machen. Er symbolisiert Ganzheit und Selbstausdruck und hilft uns, unser Leben neu auszurichten.

Er verbindet die Weisheit von Jugend und Alter durch eine dynamische Spannung. Wenn diese vergeht und ein Ungleichgewicht entsteht, muss eine neue Reise unternommen werden. Der Herrscher hilft uns auch, die Botschaften der Seele in der materiellen Welt auszudrücken: Das Innen spiegelt sich dann im Außen.

Die Entwicklungsaufgabe besteht darin, Ordnung, Frieden, Wohlstand und Fülle zu fördern. Gleichzeitig verbindet uns dieser Archetyp mit dem Thema der Macht – im Guten (Macht für etwas) wie im Bösen (Macht über etwas/jemanden) – und ihrer Grenzen.

Das Ziel liegt in einem gelingendem Leben; es gilt Chaos und Kontrollverlust zu begrenzen. Die Aufgabe besteht darin, die volle Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und Umsetzungssysteme für den Seelenausdruck finden.

Die Geschenke sind Souveränität, Verantwortlichkeit, Kompetenz. Der Tyrann ist der Schattenausdruck des Herrschers mit kontrollierendem, starrem und manipulativem Verhalten.

Anfangs sind wir gerufen, die Verantwortung für den Zustand des eigenen Lebens zu übernehmen: Wir versuchen Wunden zu heilen und sind hauptsächlich an uns und der Familie interessiert. Später hilft uns der Herrscher Fertigkeiten zu entwickeln und Strukturen schaffen, um die Seelenaufgabe in der Welt zu manifestieren; wir engagieren uns für das Wohl der Gruppe oder Gemeinschaft, zu der wir gehören. In einer reifen Version sind wir bestrebt, möglichst alle inneren und äußeren Ressourcen zum Wohle der Gesellschaft und der Erde einzusetzen.

Die Magierin

Die Magierin verwandelt die Realität, indem sie das Bewusstsein verändert und den verwundeten Herrscher heilt.

Mit ihrer Hilfe lernen wir zu akzeptieren, was ist. Damit entsteht ein Klima, indem das Notwendige geschieht. Die Magierin ruft uns auf Bewusstheit zu entwickeln und das Prinzip der wechselseitigen Bezogenheit zu verstehen. Die Kraft liegt im Benennen. Wir verstehen und hüten die individuellen und kollektiven Geschichten zum Zwecke des Heilens und Sinngebens.

Das Ziel ist die Verwandlung von ungünstigen in bessere Realitäten. Der Schattenausdruck wäre Schwarzmagie.

Das Geschenk liegt in der persönlichen Macht. Wenn wir körperliche oder seelische Krankheit durchleben oder außersinnliche Erfahrungen machen, meldet sich die Magierin in uns.

Anfangs geht es um Heilung, später um den Mut, den eigenen Visionen gemäß zu handeln. In der reifen Version ruft uns die Magierin auf, bewusst das Wissen, dass alles mit allem verbunden ist, zu nutzen.

Die Weise

Die Weise möchte die Welt weniger ändern als vielmehr verstehen. Sie strebt nach Wahrheit – über sich selbst und das Universum. Damit hilft sie uns, das Ich loszulassen und uns für die höhere Wahrheit über das Leben zu öffnen. Wir bemerken, dass die Art der Fragestellung die Antwort/das Ergebnis färbt und sehen die Dinge so, wie sie wirklich sind – frei von unseren Projektionen. Wir erkennen, dass wir einander zuhören müssen, um dann die relative Wahrheit zusammenzusetzen.

Der Weise ruft uns auf, nach Wahrheit und Verständnis zu streben. Er fürchtet Täuschung und Illusion. Das Geschenk besteht in Skeptik, Weisheit, Loslassen; der Schatten liegt in Abgeschnittensein und Gefühllosigkeit, in überkritischen, urteilenden Verhaltensweisen.

Anfangs suchen wir nach der einen Wahrheit, später erkennen wir die Komplexität. Alle Wahrheiten werden als relativ betrachtet und Subjektivität wird als Teil des Menschseins akzeptiert. Daraus erwächst Weisheit.

Der Narr

Der Narr nimmt sich die Freiheit für das Unerhörte. Er bildet ein Paar mit der Herrscherin: Sie schafft Ordnung, indem sie bestimmte Kräfte ausschließt; der Narr ist die Verbindung zu den ausgeschlossenen Kräften und bringt sie wieder ins Reich ein. So steht der Narr für das Prinzip der Ganzheit.

Dieser Archetyp hilft uns, im Hier und Jetzt zu leben. Er steht für Neugier, für Erschaffen aus Freude am Erschaffen, für Forschen und hat wenig Interesse daran, Verantwortung zu übernehmen, zumindest nicht für andere. Er will frei sein von allem: Verpflichtungen, Termine, Besitz und Beziehungen, die Dinge verlangen, die keinen Spaß machen.

Die Närrin aktiviert eine Haltung, in der es uns nichts ausmacht, lächerlich zu erscheinen oder andere zu empören. So bewahrt sie uns vor Langeweile und existenzieller Verzweiflung.

Das Ziel sind Freude, Spaß, Lebendigkeit; das Schlimmste wäre Unlebendigkeit. Der Archetyp ruft uns auf, dem Lebensprozess zu vertrauen und Freude an der Reise um ihrer selbst willen zu finden.

Die Geschenke sind Freude, Freiheit, Befreiung. Die Schattenform zeigt sich im Sichgehenlassen, in Faulheit, Unersättlichkeit, Verantwortungslosigkeit.

Am Anfang verstehen wir das Leben als ein Spiel, das man des Spaßes wegen spielt. Später hilft uns der Narr Schlauheit zu aktivieren, um andere zu überlisten oder Hindernisse zu umgehen. In der reifen Version wird das Leben ganz im Augenblick gelebt und um seiner selbst willen gefeiert.

Die Archetypen des Selbstausdrucks

Auf der Reise geht es um Verwandlung. Die Archetypen der Rückkehr helfen uns, unser wahres Selbst auszudrücken und damit unser Leben zu erneuern.

Der Herrscher wird mit der Schaffung seelischer Ganzheit und Ordnung assoziiert. Indem er das Königreich ordnet, entstehen Frieden, Einheit, Harmonie: Die disparaten Anteile finden zusammen.

Die Magierin ist das Element, das das Selbst immer wieder heilen und verwandeln kann, wenn die Ordnung zu starr wird. Sie hilft uns Schatten zu integrieren und in nützliche Energie zu verwandeln.

Der Weise beobachtet unsere Gedanken und Gefühle, geht aber über beide hinaus. Er hilft uns, die Realität zu sehen und anzunehmen, denn wenn wir sie nicht mehr bekämpfen, sind wir frei.

Die Närrin steht für das Element der Psyche, das die Vielfalt des Bewusstseins repräsentiert. Sie unterminiert das Gefühl des einheitlichen Selbst und lehrt uns, dass wir mehrere „Selbste“ ausdrücken.

 

*Angeleht an C.S. Pearson: Die 12 seelischen Archetypen, München 2019